Am 1.6.2019 wurde im Societaetstheater in Dresden die Theaterfassung von „Die Optimierer“ uraufgeführt. Unter der Regie von Nicola Bremer verwandelten Hauke Diekamp (als Samson), Friederike Pasch (als Martina, Melanie, Anna, u.v.m.) und Alexander Ganz (als Böser, Fleischmann, Trasymachos, uvm.) mithilfe der Ausstattung von Jakob Ripp meinen Roman in ein wahnwitziges, schwindelerregendes, krasses Abenteuer, das mich vollkommen mitgerissen hat. Ich wurde von dem Stück eingesaugt, einmal von innen nach außen gedreht und beim Schlussapplaus als dankbares Fangirl wieder in die Welt entlassen. Ja. So war das. War es geil? Es war der Hammer!
Wenn ihr als Teenager einmal Fan von etwas gewesen seid, einer Serie, einer Band, eines Spielezyklus, was auch immer. Und dieses Fansein Euch in dieser Lebensphase definiert, wenn nicht gar ausgemacht hat, ihr Fotos, Videos, Artikel, Fanart und jeden Schnipsel gesammelt habt und alles (obwohl ihr wusstet, dass es nicht echt ist) so echt und so Teil eures ganz persönlichen Lebens war, dass ihr dort im Fandom mehr geliebt habt, als im echten Leben, mehr gelitten und mehr verstanden. Dann wisst ihr, wie ich mich am Samstagabend gefühlt habe.
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Szenenfotos: Stephan Böhlig
Seit mittlerweile 11 Jahren beschäftige ich mich mit „Die Optimierer“, sei es als Autorin, als Korrektorin oder als Vorleserin. Und immer kommen die Bilder, die ich dabei empfinde, aus meinem Inneren. Immer weiß ich genau, die die Welt von Samson und seinen Mit- und Gegenspielern aussieht. Immer bin ich es, die anderen Menschen diese Welt eröffnet. Doch seit Samstag ist das anders. Jetzt hat Nicola seine eigene Vision der Geschichte entwickelt und mit echten Menschen auf die Bühne gebracht. Sie sprechen die Worte, die ich geschrieben habe und sagen sie doch selbst aus sich heraus und als eigenständige Personen und Figuren. Sie ziehen mich in ihren Bann, sie rühren mich, sie beängstigen mich, sie zeigen mir Facetten, die ich vorher nie kannte und plötzlich hört sich ein Dialog, der in meinem Kopf immer so klang, plötzlich so an. Plötzlich erkenne ich Humor und Witz in Szenen, die mir selber kaum bewusst waren. Plötzlich sehe ich Bilder und Zusammenhänge, die so vertraut und doch so neu sind, dass ich fassungslos dasitze und mich frage, woher Nicola und die anderen nur so gut Bescheid wissen konnten.
Dieses Erlebnis war einzigartig und ich bin allen Beteiligten unglaublich dankbar, dass ich diese Erfahrung machen durfte! In diesem Sinne kann ich nur empfehlen: Geht ins Societaetstheater und schaut euch die Inszenierung an. Sie ist toll!
Jetzt kann man natürlich anführen: Hey Theresa, Du bist total parteiisch! Kein Wunder, dass dir dein eigener Kram gut gefällt. Woher weiß ich denn jetzt, ob es wirklich was taugt? Na gut, dann hier eben die Rezension von Norbert Scholz aus den Dresdner Neueste Nachrichten vom 03.06.2019:
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„Die Optimierer“ als optimaler Premierenabend im Societaetstheater, nach einem Buch von Theresa Hannig.
VON NORBERT SCHOLZ
München im Jahr 2052, eine Dystopie aus der Feder von Jungautorin Theresa Hannig. Kann das spannend sein? Weltuntergangsszenarien werden eigentlich erst interessant, wenn es einen globalen Atomschlag gab und Cyborgs vom Format eines österreichischen Mister Olympia durch die Zeit reisen, um die Herrschaft der Maschinen einzuläuten oder zu verhindern.
Die literarische Vorlage zum Stück im Societaetstheater stammt aus dem Jahr 2017. Samson Freitag (Hauke Diekamp) arbeitet für eine Agentur. Er entscheidet auf Grund von digitalen Informationen, welcher Beruf der richtige sein wird, kann seinem Kunden aber auch bescheinigen, für gar nichts Sinnvolles nützlich zu sein. Dann steht demjenigen eine Zukunft voller Müßiggang bei geregeltem Grundeinkommen zu, es ist ihm gar verboten zu arbeiten. Denn niedere Berufe werden von Maschinen und menschlichen Robotern erledigt, die Wirtschaft ist nicht mehr auf unendliches Wachstum ausgelegt – es wird „optimiert“. „Jeder an seinem Platz!“, ist daher auch die offizielle Begrüßungsformel geworden. Die Gesellschaft befindet sich in keiner Diktatur, (fast) alle ordnen sich dem vermeintlich klugen und „alternativlosen“ System unter. Es stehen Bundestagswahlen an und Ercan Böser (Alexander Ganz) steht zur Wahl als neuer Kanzler der Bundesrepublik Europa, einem Kerneuropa, ohne Frankreich und Italien.
Böser (ja, der Name ist Programm) und Freitag verbindet eine Vorgeschichte. Einst empfahl Samson dem jungen Ercan, Politiker zu werden statt Schauspieler. Doch Böser scheint, nun ja, „Böses“ im Schilde zu führen. Dabei gibt Alexander Ganz nicht nur den vermeintlichen Schurken im Stück, er ist auch Arbeitskollege, Chef, Polizist und vieles mehr. Auf der Bühne stehen nur ein Tisch, zwei Stühle und ein gut bestückter Garderobenständer.
Ganz schlüpft, im wahrsten Sinne des Wortes, immer wieder gekonnt in seine neuen und alten Rollen. Was durchaus schweißtreibend ist, nicht nur, weil
der neu erwachte Sommer in Dresden mit in den Theaterraum gezogen ist. Ebenso bunt, mit Kleidchen oder bunten Flügeln, ist Friederike Pasch als drittes Ensemblemitglied Teil dieser fatalistischen Zukunftsgeschichte. Mal ist sie Samson Freitags Freundin, dann die ehemalige Klientin, deren Leben er mit seiner „Beratung“ ungewollt zerstörte, oder auch nur der Automat, der misst, ob jemand, verbotenerweise, echtes Fleisch gegessen hat.
Solche Momente lockern die Geschichte auf, denn allmählich wird das schöne, optimierte Leben des Herrn Freitag zur dunklen, kafkaesken Reise durch die Mühle des Systems. Sein Sozialpunktekonto schmilzt dahin, eine Utopie, die im echten Leben heute bereits in Teilen Chinas zur Wirklichkeit geworden ist. 2052 wird alles überwacht, alles wird aufgezeichnet durch Kontaktlinsen im Auge, die sowohl Kamera als auch Monitor sind. Die Menschen starren blind vor sich hin, das Smartphone ist überflüssig, das Internet allgegenwärtig und systemkonform manipuliert.
Unter Nicola Bremers Regie ist die einstürzende Welt um den doch unschuldigen Samson Freitag greifbar geworden. Dass es in München spielt, fällt nur dem eingeweihten Straßenkenner Bayerns auf. Hier und da gibt es einen Bezug zu aktuellen Ereignissen, einen kleinen Seitenhieb auf reale politische Personen und Geschehnisse. Aber nur am Rande, ohne den Zeigefinger, der aktuell so gern erhoben wird.
Die Buchautorin war am Premierenabend übrigens persönlich vor Ort und sowohl stolz als auch begeistert ob der Umsetzung. Und das zu Recht. Außerdem, irgendwie scheinen am Ende ja tatsächlich die Roboter die Weltherrschaft übernehmen zu wollen. Und dann muss es ja eine gute Geschichte sein.
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Die nächsten Aufführungen sind am 6.6. und am 15.6. jeweils um 20 Uhr. Nach der Sommerpause geht es dann im Herbst weiter.