Am 18.02.2019 habe ich am Graf Rasso Gymnasium in Fürstenfeldbruck eine szenische Lesung mit anschließender Diskussion veranstaltet.
Die Lesung war etwas ganz Besonderes für mich, da wir zum ersten Mal seit der Buchpremiere vor 1,5 Jahren wieder unsere szenische Lesung meines Romans „Die Optimierer“ präsentieren konnten. Diesmal allerdings nicht in der Neuen Bühne Bruck sondern in der Aula des GRG. Glücklicherweise hat die Schule eine ganz hervorragende Technik-AG mit deren Hilfe wir eine ähnliche aber doch ganz andere Inszenierung hinbekommen haben! Nach so langer Zeit war es wieder richtig aufregend, zusammen mit Tina und Alexander Schmiedel auf der Bühne zu stehen.
Und auch in Zukunft werden wir wieder einiges auf die Bühne bringen. Am 30.06.2019 die Buchpremiere von „Die Unvollkommenen“ als szenische Lesung und am 12.10.2019 noch einmal „Die Optimierer“ beim Literaturfest Kleinwalsertal.
Doch zurück zur Lesung am GRG: Ein paar Tage vorher trafen wir uns zu Besprechungen, zum Einleuchten und zur Technikprobe. Am Tag der Lesung habe ich versucht, Fotos mit sehr langer Belichtungszeit zu schießen, um ein paar Eindrücke aus der Aula einzufangen. Prompt wurde ich von einer herannahenden Lehrerin zur Rede gestellt: warum ich denn Fotos von den Schülern machen wolle! Ich erklärte ihr die Situation, zeigte ihr die verschwommenen Bilder (die allesamt leider nichts geworden sind – ich bin einfach ein Foto-Banause) und sagte ihr, wie toll ich es fände, dass sie sich für den Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte ihre Schüler einsetze!
Am Nachmittag ging es dann los: Etwa 200 Schüler der 10. und 11. Jahrgangsstufe wurden (wie sich herausstellte) mehr oder weniger freiwillig in die Aula gesetzt, um unsere szenische Lesung anzugucken. Nach den Reaktionen der Schüler, hat ihnen die Vorführung ganz gut gefallen. Danach war ich an der Reihe, um die Diskussion zu führen.
Wie bei jeder Lesung/Diskussion gab es auch hier eine Frage, die noch nie zuvor gestellt worden war. Aber dass es gleich die allererste Frage sein musste, verwunderte mich doch ein bisschen: „Welche Gemeinsamkeiten hat der Protagonist Samson Freitag mit der Figur Gustav von Aschenbach aus der Novelle Der Tod in Venedig, die in der ersten Szene des Stücks thematisiert wird?“ Puh… erste Frage und gleich sowas… ich konnte/wollte die Frage nicht beantworten, weil sie zu viel vom Inhalt und von der Thematik/Mystik hinter meinem Text preisgibt. Immerhin hatten die Schüler (bis auf wenige Ausnahmen!?) meinen Roman noch nicht gelesen. Aber überhaupt nicht auf die Frage zu antworten finde ich nach wie vor sehr unbefriedigend. Daher hier ein paar Erklärungen:
„Der Tod in Venedig“ ist typischer Abiturstoff. Dass Martina Fischer die Novelle lesen musste, ist also eigentlich nichts Ungewöhnliches. Ich selbst hatte in meiner Abiturprüfung einen Auszug daraus zu Auswahl – den ich aber zugunsten der Gedichtinterpretation von Hölderlins „Der Neckar“ nicht bearbeitet habe (Gedichtinterpretationen waren meine Spezialität!). Seit jeher habe ich mich über den Titel des Buches echauffiert, weil ich es eine Gemeinheit fand, dass der Autor mit dem Titel schon das Ende des Buchs verriet. Bis zum Abitur habe ich mich so viel mit dieser Novelle beschäftigt, dass eine Art Hassliebe dazu entstanden ist, die mit der Zeit glücklicherweise verblasst.
Aber das war ja nur die erste Frage… danach ging die Diskussion noch eine Dreiviertelstunde weiter – hauptsächlich drehte es sich um Mediennutzung, SocialMedia, BigData und Datenschutz. Ich hätte gerne noch über andere Themen des Romans gesprochen, aber irgendwie ging die Zeit mal wieder viel zu schnell vorbei – vielleicht sollte ich immer bei den Diskussionen auf der Bühne stehen und herumlaufen, anstatt hinter einem Tisch zu sitzen!
Und dann gab es noch eine letzte Frage: „Was halten Sie davon, dass wir gezwungen werden, hier dabei sein zu müssen?“
Nachdem sich das Ganze um eine Schulveranstaltung handelte, fand ich es nicht besonders schlimm, zumal ich mir ja durchaus Mühe gegeben hatte, die Schüler zu unterhalten. Auch die Frage an sich fand ich nicht schlimm, denn ich hatte die Schüler im Vorfeld explizit aufgefordert, kritisch zu sein und bestehende Autoritäten zu hinterfragen – und damit auch mich!
Umso erstaunter war ich, als ich im Nachhinein sowohl von Lehrern – die sich für den Schüler entschuldigten und ihm Strafen für die freche Frage in Aussicht stellten – als auch von Vertretern der SMV – die den Schüler verteidigten – angesprochen wurde. Ich kann dazu nur sagen: Ich finde es vollkommen in Ordnung, wenn man kritische Fragen stellt, besonders, wenn da jemand auf der Bühne steht, der meint, einem etwas beibringen zu müssen. Auch eine gewisse Frechheit finde ich dabei in Ordnung (wenn nicht als Jugendlicher, wann soll man denn sonst frech sein?)
Also: Seid kritisch, seid schlau, und informiert euch. Oder um es mit Captain Disillusion zu sagen: „Love with your heart. Use your head for everything else.“
Noch eine Notiz zum Schluss, da ich mich offenbar missverständlich ausgedrückt habe: Der Klimawandel ist MENSCHENGEMACHT und wir müssen dringend etwas dagegen tun!
Liebe Theresa Hannig,
vielen Dank auch von unserer Seite für die gelungene Lesung, insbesondere auch an Tina Schmiedl, von deren Vortragskunst ich trotz kleiner Mikrotechnikprobleme besonders eingenommen war.
Ein wenig Hintergrund zur ersten und letzten Frage: Die erste Frage stammt von einem Schüler, der sich gerade durch den klassischen Schulkanon liest und gerne erprobt, was er sich da so alles angeeignet hat, zum Beispiel auch „Tod in Venedig“. (Sowas sieht der Deutschlehrer natürlich gern…)
Die letzte Frage ist ein schwierigeres Thema. Sie wurde nur wenige Minuten vor Ende der Veranstaltung gestellt. Der Fragende ist ein Schüler, der offenbar erhebliche Schwierigkeiten damit hat, seinen Schulbesuch in der 10. Jahrgangsstufe am Gymnasium als freiwillig zu verstehen. Seine Klasse hatte in den vergangenen Wochen zahlreiche Unterrichtsausfälle, welche die Lehrer auch unserer Schule eben nicht immer mit Vertretungen auffangen können. Daraufhin ernsthaft zu glauben, derartige Freistunden stünden ihm zu, wohingegen eine Sonderveranstaltung außerhalb des Stundenplans eine Zumutung sei, ist schlechtes Benehmen, zeugt von Anspruchsdenken und Überheblichkeit gegenüber der geduldigen und interessierten Mehrheit, den Lehrern, die dafür auch Überstunden machen, und gegenüber dem Gast. In seinem Unterricht (meinem!) hatte er ausreichend Gelegenheit den vermeintlichen Zwang zu diskutieren, dumm oder auf den Mund gefallen ist er schließlich nicht. Seine Frage war out of time, out of context, out of focus und out of place, wie man als Kommunikationspragmatiker so sagt. Genau davon wird die nächste Deutschstunde handeln, das ist peinlich und Strafe genug. Schließlich wird der junge Mann in den kommenden Wochen zu Gast sein im Deutschen Bundestag, im Bundesrat, verschiedene Museen besuchen und mit Zeitzeugen der jüngeren deutschen Geschichte ins Gespräch kommen und da wollen sich die Lehrer für einen wehleidigen und verwöhnten Mittelstufenschüler nicht fremdschämen müssen.
Ich räume ein, dass das von der Bühne aus ganz anders wahrgenommen und bewertet werden kann. Eine Autorin muss grundsätzlich auf der Seite der freien Rede stehen. Immer.
Aber kein Schüler oder Lehrer möchte für dumm gehalten werden, was leider beide nicht vor Dummheiten schützt. Ein Lehrer, der seine Schüler nicht deutlich auf Dummheiten hinweist, sie einfach übergeht und also keine Konsequenzen zieht, ist keiner oder eben dumm, auch weil er eine Chance auslässt.
Und selbstverständlich werden daher der Blogeintrag oben und mein Kommentar Gegenstand der kommenden Deutschstunde(n) sein.
Herzliche Grüße
Dionys Zink